Darf ich das fragen?
„Ja!“
Diese Frage bekommen wir sehr häufig gestellt. Und ja, ihr dürft fragen. Ihr dürft alles fragen. Wenn wir keine Lust auf irgendwas haben, sagen wir euch das schon.
Ich kann es aber soooo gut verstehen. Es ist schon komisch. Da haben wir selber ein besonderes Kind und was ist? Sobald ich selber einem besonderen Kind begegne, bin ich im ersten Moment auch total unentspannt. Was darf ich fragen? Darf ich gucken? Darf ich was sagen? Halte ich die Tür auf, damit sie mit dem Rolli durchkommen oder nicht? Helfe ich einem Rollifahrer, wenn ihm etwas heruntergefallen ist oder nicht? Möchte er es lieber selber hinbekommen? Oder hilft es ihm, wenn ich es gerade nicht aufhebe? Ganz ehrlich? Ich weiß es auch nicht. Und vermutlich gibt es auch keine pauschale Antwort auf diese Frage. Ich glaube, uns allen tut es gut, einfach viel lockerer mit der Sache umzugehen. Fragt doch einfach! „Darf ich helfen?“ Oder macht einfach. Manchmal ist es schneller erledigt, als das man darüber nachdenken kann. Wenn einer alten Dame etwas herunterfällt, ist man ja auch schnell dabei. Es ist aufgehoben und gut ist.
Ok. Die Frage, ob man einem Krankenwagen rufen soll, finde ich auch etwas befremdlich. Aber wenn ich darüber nachdenke, kann ich auch die Frage verstehen. Wenn wir mit Julian unterwegs sind, ist es für uns völlig normal, dass er abgesaugt wird. Selbst für unseren großen Sohn, ist das totale Normalität geworden: „Mama, Julian hat gespuckt. Er muss abgesaugt werden. Ich hole einen grünen Katheter“ (Bjarne ist ein großartiger großer Bruder!)
Sobald wir unterwegs sind, trifft man logischerweise Menschen, für die das nicht normal ist. Und vermutlich sieht es auch dramatisch aus: Julian im Kinderwagen mit halb geöffneten Augen, der Mund steht auf, er ist schon relativ groß und liegt scheinbar unbeteiligt rum, man hört ggf. ein leichtes Röcheln, möglicherweise piepst auch der Monitor und die Absauge macht entsprechend Lärm. Der Absaugkatheter wird raschelnd ausgepackt – wenn wir über die Kanüle (endotracheal) absaugen, wird noch ein Handschuh angezogen und die feuchte Nase entfernt und der Katheter verschwindet mit drehenden Bewegungen im Hals des Kindes. Ok – ich gebe es zu. Von außen betrachtet, wirkt das komisch. Und die Frage nach dem Krankenwagen kann durchaus berechtigt sein. Aber ganz ehrlich? Im Nachhinein schmunzelt man eher über solche Situationen. Und in den allermeisten Fällen erkennen die Menschen, dass die ganze Aktion vermutlich ganz normal ist. Schließlich verfällt während der ganzen Aktion niemand in Panik oder wird sonderlich hektisch dabei.
Und ja, manchmal nerven die Fragen auch! Manche Dinge hat man gefühlt schon 1.000 Mal beantwortet:
„Wisst ihr denn, was er hat?“ – „Nein, wissen wir es nicht und vermutlich finden wir es nie heraus und selbst, wenn wir es herausfinden, ändert es rein gar nichts an der Situation“
„Wie? 24 Stunden Betreuung? Dann ist immer jemand bei euch zu Hause?“ – „Genau! Und ja, vor 2 Jahren hätte ich mir das auch überhaupt nicht vorstellen können und ja, manchmal nervt es mich heute auch noch. Aber man gewöhnt sich an vieles. Und oft, ist es auch einfach schön, jemanden zum Beraten, zur Unterstützung (undenkbar das alles alleine zu machen) oder einfach mal zum quatschen zu Hause zu habe. Und auch für Bjarne ist es total normal geworden.
Aber alle Fragen sind total ok. Wenn wir keine Lust haben, bestimmte Fragen zu beantworten, fällt die Antwort einfach kurz aus oder wir sagen direkt, dass wir gerade keine Lust haben darüber zu sprechen (kommt allerdings selten vor). Wir werfen niemanden irgendeine Frage vor und doofe Fragen gibt es eh nie.
Insgesamt muss ich ja sagen, dass Kinder in solchen Situationen einfach klasse sind. Sie fragen einfach, was sie wissen wollen und sie nehmen die Antworten auf, als wäre es das normalste der Welt. Ich hatte ja schonmal darüber geschrieben, wenn Julian mit zum Sport geht. Immer wieder herrlich. Ich glaube, bei unseren Kindern können wir uns eine ganze Menge abgucken!
In diesem Sinne: Fragt einfach! Keine Scheu! (Und ich nehme es mir auch zu Herzen, wenn ich das nächste Mal ein Kind mit Schlamassel sehe und neugierig bin. Es ist doch einfach sooo menschlich.